Ich habe mich in den letzten Monaten intensiv mit dem Thema des Sabbats / Ruhetags beschäftigt. Daraus ist eine 5teilige Predigtserie entstanden. Sie setzt sich mit der biblischen Sicht auf den Sabbat und unserer Gesellschaft auseinander und sucht nach Wegen in unserer Zeit dem Sabbat Gewicht zu geben. Im Ruhetag sehe ich Gottes Weisheit für uns. Sie trifft auf eine starke Sehnsucht nach Ruhe, Langsamkeit, Einfachheit & Präsenz. Wer den Ruhetag bewusst praktiziert, so glaube ich, kann darin Gottes Wesen erkennen und Gott finden.
“Manche Dinge kann Gott uns nur in die Seele legen, wenn wir die Arbeit aus der Hand legen und zur Ruhe kommen.”
Pete Scazzero
Der Aufbau der Predigtreihe sieht folgendermassen aus:
Die Predigt über den Sabbat als Rhythmus nimmt Bezug auf die Begründung für das Halten des Sabbats in den 10 Geboten.
Die Predigt über den Sabbat als Schatz stellt den Sabbat als zentrale geistliche Übung, als Form des Widerstands und als Ort der Gottesoffenbarung vor.
Die Predigt über den Sabbat als Weisheit thematisiert vier Kennzeichen des Sabbats: aufhören, ausruhen, sich freuen, Gott anbeten.
Die Predigt über die Freude des Sabbats richtet den Blick auf Jesus und seine Auseinandersetzungen mit den Gelehrten seiner Zeit.
Die Predigt über die Praxis des Sabbats zeigt Wege auf, wie der Ruhetage ganz praktisch umgesetzt werden kann.
Die Hektik ist der grösste Feind eines geistlichen Lebens in unserer Zeit. Wir müssen Eile erbarmungslos aus unserem Leben entfernen. Das sagte der christliche Denker Dallas Willard einmal in einem Beratungsgespräch.[1] Der Autor erklärt, warum er ihm zustimmt.
Die Afrikaner haben das bekannte Sprichwort: «Ihr habt die Uhr und wir die Zeit.» Heute müsste es heissen: «Ihr habt ganz viele zeitsparende Geräte und wir haben immer noch die Zeit.» Die Ruhelosigkeit und das Tempo des Lebens haben sich in den letzten Jahrzenten immer mehr erhöht.
Eine kurze Geschichte der Zeit
Der Ursprung für diese Entwicklung liegt in technischen Erfindungen. Die Uhr hat die Zeit von einem durch die Natur bestimmten Ablauf abgekoppelt.Das elektrische Licht hat die Nacht erobert. Plötzlich war es möglich, rund um die Uhr zu arbeiten. Die natürliche Ruhezeit der Dunkelheit ist verloren gegangen. Der Schlaf ist weniger geworden.
Mittlerweile ist das digitale Zeitalter eingeläutet. Mit dem Smartphone haben wir das Internet mit seinen enormen Möglichkeiten überall dabei. Das hat unsere Kultur nachhaltig verändert und enorm beschleunigt. Das macht was mit uns. Wir leben mit dem Gefühl der ständigen Zeitknappheit. Deshalb versuchen wir unser Leben noch mehr zu beschleunigen, damit wir mehr Zeit haben für all die Dinge auf unseren To-Do-Listen.
Das Problem mit der Eile
Eile steht im Gegensatz zur Liebe. Wir sollen Gott lieben, unseren Nächsten und uns selbst.[2] Geschäftigkeit und Eile verhindern das, denn das «Problem» mit der Liebe ist, dass sie sehr zeitintensiv ist. Das merken wir sehr schnell in Beziehungen. Sie «kosten» enorm Zeit. Wenn wir im Zeitstress sind, fällt es uns schwer zu lieben. Das sind die Momente, in denen ich nicht mehr in einer inneren Balance bin. Die Spannung kann sich schnell entladen durch Ärger, Zynismus, Wut und schnippische Bemerkungen.
Ich musste in meinem Leben feststellen, dass ich viele meiner schlimmen Momente als Ehemann, Vater, Sohn, Freund, Pfarrer dann hatte, wenn ich im Zeitstress war. Das zeigt mir, wie schwierig es ist, mit einer gestressten Seele zu lieben.
Eile tötet Beziehungen. Liebe dagegen nimmt sich Zeit. Eile tötet die Freude und Dankbarkeit des Moments. Wenn du gehetzt bist, kannst du den Augenblick nicht geniessen. Eile tötet Weisheit. Weisheit entsteht über Zeit. Sie reift. Sie durchläuft einen Denk- und Handlungsprozess, bis sie schriftreif ist. Eile tötet Spiritualität. Diese lebt davon, dass wir uns Zeit nehmen, ihr Gewicht geben. Sie lebt von Ruhe und vom Bewusstsein des Augenblicks. Eile liebt nicht – sie tötet.[3]
Die Lösung
Die Lösung ist nun nicht mehr Zeit, sondern eine Verlangsamung und Vereinfachung des Lebens. Wir haben alle nicht mehr als 24 Stunden pro Tag. Wir können nicht alles tun und erreichen und müssen daher aufhören, ständig dem Mehr nachzujagen. Stattdessen sollen wir uns die Frage stellen: Wie können wir unser Leben verlangsamen?
Das können wir konkret von Jesus lernen. Er selbst und seine Nachfolger haben wunderbare, ruheschaffende Rituale und Lebensweisen entwickelt, mit der wir unserer Seele Gutes tun. Sie sind mehr denn je gefragt. Zu diesen Ritualen gehören für mich die konsequente Einhaltung des Ruhetags,[4] einen Tagesrhythmus mit Zeiten des Gebets und der Stille vor Gott und eine gewisse Vereinfachung des Lebens, das heisst eine Konzentration auf das Wesentliche. Dazu müssen wir unser Leben entsprechend ordnen.
Es geht dabei nicht um Verlangsamung um der Verlangsamung willen, sondern um die Gesundheit unserer Seele und vor allem um unsere Ausrichtung auf Gott. Wir können unser Leben extrem verlangsamen ohne Jesus. Doch als Schüler von ihm müssen wir es um der Liebe willen tun. Und wenn wir es tun, werden wir spüren: Ruhe ist langsam. Gebet ist langsam. Gastfreundschaft ist langsam (du nimmst dir Zeit für eine Person). Bibellesen ist langsam.
Ich ermutige dich, diesen Weg zu gehen. Das alles hilft dir, mehr zu lieben, präsenter im Moment zu sein, offener für das feine Reden Gottes, empfindsamer für die Bedürfnisse deiner Seele und feinfühliger für die Nöte deiner Mitmenschen.
[1] Frei übertragen aus John Ortberg, Hüter meiner Seele, Asslar, 2015
[3] Manchmal ist Eile weit weniger dramatisch. Wir sind einfach «Opfer» unserer Lebenssituation.
[4] Das hebräische Wort sabbat bedeutet: aufhören, um zu ruhen.
Dieser Artikel erschien in der Februar-Ausgabe 2022 von Wort+Wärch. Das Bild ist von mir gemacht von der Kirche San Giovanni Battista in Mogno, Tessin. Es ist für mich ein Sinnbild von Ruhe in der Hektik.
Wenn es darum geht zur Ruhe zu kommen hat jeder so seine eigene Strategie. Baldrian, Melissen- oder Johanniskraut-Tee, Jasmin, ruhige Musik, ein Bad z. B. mit Lavendel oder anderen Zusätzen, Entspannungsübungen … Was nicht alles beruhigend wirken soll!
Einer war selbst in stürmischen Zeiten die Ruhe weg – Jesus. Während seine Freunde sich gegen die Sturmfluten kämpften schlief er. Als er dann aus dem Schlaf geweckt wurde streckte er seine Arme aus und der Sturm legte sich. Ruhe kehrte ein. Jesu wirkt einfach beruhigend – auch heute noch.
Sie sind die ersten morgens. Während der Hahn kräht und manch anderer erst gerade in den Schlaf sinkt sind sie schon wieder munter. Sie haben keine Frühschicht oder Kinder, die sie aufwecken und trotzdem ziehen sie schon ihre Joggingschuhe an oder genießen den ersten Kaffee, während sie die Zeitung lesen.
Sie sind die ersten morgens. Freiwillig versteht sich. Kein Wecker, keine Verpflichtung, Frühaufsteher eben. Sie liebe die Ruhe morgens. Jesus war auch so einer, zumindest manchmal. „In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand Jesus auf und ging hinaus an einen einsamen Ort, um zu beten.“ (Mk 1,35) Also, ich schlaf zwar lieber aus, aber Ruhe, die brauche ich auch und die hole ich mir, wenn auch nicht morgens.
Diese folgendene Geschichte habe ich für die neuste klartext-Ausgabe, der Bibellesezeitschrift des Bibellesebunds für junge Erwachsene, geschrieben. Damit beteilige ich mich auch am Jahr der Stille. Die Geschichte ist zudem Ausdruck meines Anliegens Theologie (theologische Inhalte) narrativ, also erzählend, zu vermitteln. Gefällt sie euch?
Eine Stunde noch! Wie sollte sie das alles noch erledigen? Duschen, essen, E-mail an den Prof schreiben, sich mit einer Studienkollegien wegen des morgigen Vortrags abstimmen und dann noch den Hauskreis vorbereiten. Stress pur. Julia hasste solche Tage. Morgens schon gleich mal verschlafen, gerade noch rechtzeitig zur Vorlesung erschienen, die sich als superlangweilig herausstellte und die Frage aufwarf, warum sie nicht gleich im Bett geblieben ist. Im Anschluss hatte sie dieses wichtige Gespräch mit dem Prof über die Abschlussarbeit. Nach anfänglichem Zögern konnte sie ihn doch von ihrem Thema überzeugen. Ein kleiner Erfolg! Gutgelaunt hetzte sie dann zum Cafe, wo sie sich mit einer Freundin zu einem Kaffee Latte Crema traf. Wieso hatte sie sich eigentlich beeilt, wo doch ihre Freundin – wie nicht anders zu erwarten – zu spät kam? Gleich nach der Bestellung kam der erste Anruf. Stöhn! Nach dem dritten Anruf hatte sie es endlich geschafft das Handy abzuschalten. Warum auch alle immer was von ihr wollen? Die Stunde verging viel zu schnell. Die Nachmittagsvorlesungen standen an. Oh man, manche Dozenten können sich so geschwollen, unverständlich ausdrücken und machen das Zuhören zur Tortur. Völlig erledigt kam Julia zu Hause an, um festzustellen, dass nur noch eine Stunde Zeit blieb bis zum Hauskreis. Ach ja und mit Abwasch wäre sie diese Woche auch noch dran gewesen.
Wie sagt man so schön: Besondere Situationen erfordern besondere Lösungen. Julia kam pünktlich zum Hauskreis, allerdings ohne Vorbereitung. Ihr Leben machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Es gibt eben solche Tage. Während die anderen sich gerade begrüßten, kam ihr zum ersten Mal der Gedanke, dass ihre Situation nicht blöd ist, sondern sogar eine Chance. Ging es nicht oft den anderen auch so? Rastlosigkeit und Geschäftigkeit nehmen einen gefangen. Oft regieren nur Stress und Hektik. Stille wäre jetzt nötig, aber wir kommen so selten dazu. Lag darin vielleicht die Gelegenheit? Die anderen waren schon gespannt auf Julias Beitrag. Sie fing einfach an, von ihrem Tag zu erzählen, von ihrer Geschäftigkeit, dem Trubel, der sie schon fast das erfolgreiche Gespräch mit ihrem Prof vergessen ließ. Julia spürte, wie die anderen sich in ihrem Tag wiederfanden. Lass uns doch einfach jetzt eine Zeit der Stille haben und auf Gott hören, schlug sie vor, was sogleich Zustimmung fand, denn den anderen wurde klar, dass sie eigentlich alle Sehnsucht nach Ruhe hatten! Sie lässt sich in unseren Tagen immer schwerer finden, weil Lärm, Hektik, Verpflichtungen und die vielen Termine sie von außen bedrohen, die ersehnte Stille. Und was passierte, überraschte Julia. Während der ersten Minuten fiel es ihr schwer einfach mal nichts zu tun und nichts zu denken, sondern sich auf Gott zu konzentrieren. Sie wurde schon ungeduldig, bis sie verstand, dass sie sich entspannen und Gott die Zeit überlassen musste. Mit der Zeit wurde sie immer ruhiger und die Stille tat ihr gut. Ihr kam nun der Psalm 23 in den Sinn. Sie schlug ihre Bibel auf und las den Psalm laut vor. Er berührte sie. Gott ist mein Hirte. Er führt mich zu den frischen Wasserbächen. Gehen wir mit? Ist es nicht oft so, dass wir in unserer Hektik kein Ohr mehr für Gott haben und so auch die Auen (übertragen: die Stille) verpassen, die uns so gut tun würden? Alle gingen gestärkt aus dieser Zeit. Wie können wir Stille in unseren Alltag bringen? Julia gab allen diese Frage mit nach Hause.