Mythen über die Weihnachtsgeschichte (2): Die einsame Geburt in einem dreckigen Stall

Im ersten Teil habe ich versucht darzulegen, warum ich glaube, dass Maria und Jospeh sehr wohl von den Bewohnern in Bethlehem aufgenommen wurden. Jetzt wird mir der einen oder andere entgegnen: aufgenommen am Ende schon, aber ein Stall ist nicht gerade eine gemütliche und angemessene Unterkunft für eine Schwangere. Um dieses Argument zu entkräften will ich auf den Geburtsort von Jesus eingehen.

Jesus wurde direkt nach seiner Entbindung in eine  Krippe gelegt. Wir lesen Krippe und denken automatisch an einen Stall oder an eine Scheune – beides keine tollen Orte für eine Geburt. Doch wir sollten bedenken, dass die Häuser zu der damaligen Zeit anders gebaut waren als unsere Häuser. Reiche Menschen hatte normalerweise für ihre Tiere ein separates Gebäude. Nicht so die einfachen Leute. Ihr Haus bestand normalerweise aus zwei Räumen. Ein Raum war exklusiv für Gäste reserviert und im zweiten Raum lebte die Familie. Dieser Raum war quasi das Wohnzimmer (Familienzimmer) inklusive Küche und Schlafzimmer. Dieser Raum war entweder an der Seite zur Tür etwas niedriger oder durch Holzbalken getrennt. Dieser abgetrennte Bereich zum Familienzimmers war der Stall. Jeden Abend wurden die Tiere ins Haus gebraucht, um sie vor dem Wetter und Dieben zu schützen. Ähnlich wie in unseren „alten“ Bauernhöfen lebten Menschen und Tiere unter einem Dach. Die Häuser hatten meist ein Flachdach und waren einstöckig oder hatten im zweiten Stock ein Gästezimmer. Das Gästezimmer konnte aber auch einfach angebaut sein. Folgende Skizze soll das verdeutlichen:

Die Krippen standen etwas vom Stall erhört auf der Ebene des Familienzimmers. Falls die Kühe in der Nacht Hunger hatten, standen sie auf und konnten aus der Krippe essen. Für die Schafe gab es kleineer Krippen, die im Stall standen. Dass Jesus nach der Geburt in eine der Krippen gelegt wurde ist also nicht sehr verwunderlich, noch deutet es auf eine armselige Unterkunft hin.

Nun lautet die Begründung von Lukas, dass Jesus in die Krippe gelegt wurde, weil in der Herberge kein Raum für sie war. Diese Aussage impliziert für uns, dass eine Herberge/Hotel eine Anzahl von Zimmern hat, die alle schon vermietet waren. Doch damit liegen wir nicht ganz richtig. Das Wort Herberge ist etwas irreführend. Das griechische Wort (katalyma), das Lukas an diese Stelle verwendet ist nicht das Wort für ein professionelles oder wirtschaftlich betriebenes Hotel, sondern meint ein Ort zum Übernachten oder Verweilen. Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter verwendet Jesus ein anderes Wort, welches auf ein Hotel hindeutet. In einem privaten Haus meint katalyma letztlich das Gästezimmer. Bezogen auf Jospeh und Maria bedeutet das also, dass bei der Familie, die sie aufgenommen haben, dass Gästezimmer schon voll war und sie mit ins Familienzimmer mussten.

Das Familienzimmer wird dann für die Geburt eingerichtet gewesen sein. Die Hebamme und einige Frauen werden Maria bei der Geburt zur Seite gestanden haben. Alles andere wäre unnormal gewesen. Die Vorstellung, dass Maria ganz allein nur mit Joseph an ihrer Seite das Kind in einem Stall zur Welt gebracht hat, kann unmöglich stimmen. Maria hatte die Unterstützung durch die Dorffrauen.

Zu beschäftigt um die Schönheit des Lebens zu entdecken?

Die Ausgangssituation

An einem kalten Morgen im Januar 2007 spielt eine Mann auf seiner Geige 45 min. ein paar Stücke von Bach in einer U-Bahnstation in Washington, DC.  In dieser Zeit sind ungefähr 2000 Menschen an ihm vorbei gegangen, die meisten auf ihrem Weg zu Arbeit. Was hat er alles erlebt?

Nach drei Minuten:
Ein Mann im mittleren Alter bemerkt, dass jemand Musik spielt. Er verlangsamte seinen Gang, stoppte für ein paar Sekunden um dann schnell weiterzugehen.

4 Minuten später:
Der Geiger nimmt seinen ersten Dollar ein. Eine Frau warf das Geldstück in seinen Hut und ohne zu stoppen ging sie weiter. 

Weniger später:
Ein junger Mann lehnte sich gegen eine Wand und hört dem Geiger zu. Dann schaut er auf seine Uhr und geht weiter. 

Nach 10 Minuten:
Ein kleiner Junge stellt sich vor den Geiger, um ihn zu beobachten. Die Mutter ermahnt ihn weiterzugehen und als er nicht gleich kommt greift sie mit ihren Händen nach ihm und zieht ihn zu sich und sie gehen weiter während der Junge der Musiker nachschaut. 

Nach 45 Minuten:
Nur sechs Menschen sind stehengeblieben und haben ein Weile zugehört. Ungefähr 20 haben ihm Geld gegeben, dabei aber ihre normalen Geschwindigkeit nicht verlangsamt.  32 Dollars hat der Musiker eingenommen.

Nach 1 Stunde:
Der Geiger hört auf zu spielen. Niemad bemerkte es. Keiner applaudierte. Niemand schien es etwas bedeutet zu haben am morgen in der U-Bahn mit Musik begrüßt zu werden.

Der Geiger war Joshua Bell, einer der größten Musiker der Welt. Er spielte eines der schwierigsten Musikstücke die je geschrieben wurden auf einer Geige die $3.5 Millionen Dollar wert ist. Zwei Tage zuvor hat er im ausverkauften Theater von Bosten gespielt. Die Eintrittskarten kosteten im Schnitt $100. Joshua Bell spielte an diesem Morgen inkongnito im Rahmen eines Experimentes der Washington Post über Wahrnehmungsvermögen, Geschmack und Prioritäten.

Wärst du stehen geblieben?

Wie viel Schönheit und Lebensmut verpassen wir weil wir einfach zu gestresst sind?

(Den Orginalartikel kann man hier finden.)

Mythen über die Weihnachtsgeschichte (1): War es wirklich so schwierig für Maria und Joseph eine Unterkunft zu finden?

Die Weihnachtsgeschichte ist eine der bekanntesten und beliebtesten Geschichte der Bibel. An jedem Weihnachtsgottesdienst wird in den Kirchen ein Krippenspiel aufgeführt.  Auch wenn sich die Aufführungen unterschieden geht es meint u.a. die schwierge Suche von Joseph und Maria nach einer Unterkunft. Doch war ihre Suche wirklich so schwierig? Ich habe daran erhebliche Zweifel.

Grund 1: Das Dorfleben im Nahen Osten darf nicht mit unserer stark individualistischen Gesellschaft verglichen werden. Man kannte sie sich und wusste übereinander Bescheid. Es gab viele verwandtschaftliche Beziehungen und auch wirtschaftlich war man aufeinander angewiesen.  Joseph ist in seine Heimatstadt gereist. Seine Vorfahren haben dort gelebt und in der Vergangenheit das Dorfleben  mitgeprägt. Er oder zumindest seine Vorfahren kannte man. Allein von daher ist es äußerst ungewöhnlich, dass niemand sie aufnahm. Gerade wenn man bedenkt, dass Gastfreundschaft eine der höchsten Werte war.

Grund 2: Joseph gehörte zu einer ganz besonderen Familie. Er war königlicher Abstammung und nach unseren Maßstäben damit adelig. Die Familie von David war so berühmt, dass die Stadt sogar nach ihm benannt wurde. Es heißt, dass er „in die Stadt Davids, die Bethlehem heißt“ reiste (Lk 2,4). Eigentlich ist Jerusalem die Davidsstadt, aber offensichtlich wurde auch Bethlehem so genannt . Als ein Nachkomme David wäre Joseph auf jeden Fall aufgenommen worden.

Grund 3:  Maria war zu der Zeit hoch schwanger. Ihr keine Unterkunft zu geben bedeutet letztlich, dass die Menschen in Bethlehem sich nicht um Schwangere kümmern. Auf hochschwangeren Frauen wurde auch in dieser Gesellschaft Rücksicht genommen. Man war um ihr Wohl besorgt. Daher haben die Dorfbewohner mit Sicherheit einen geeigneten Platz für die beiden bereit gestellt. Einer schwangeren Frau Hilfe vorzuenthalten wäre für jeden ein beschämender Akt.

Grund 4: Hätten Joseph und Maria tatsächlich keine Unterkunft gefunden, wären sie  zu Marias Verwandten gegangen. Ihre Cousine Elisabeth, die sie zuvor besucht hatte, wohnte nur unweit von Bethlehem entfernt. Es wäre nur ein logischer Schritt gewesen zu ihnen zu gehen und bei ihr das Kind zu gebären. Doch das haben sie nicht getan.

Dass Joseph und Maria unter Zeitdruck standen, wie aus den Krippenspielen bekannt, entspricht nicht dem Textbefund des Neuen Testamentes. Lukas berichtet, dass die beiden sich auf den Weg nach Bethlehem machten (4) und als sie dort waren ihre Tage erfüllt waren (6). Viele Christen denken, dass Jesus noch in der Nacht ihrer Ankunft geboren wurde. Doch die Zeit in Bethlehem wird in der Bibel nicht näher beschrieben. Es wäre auf jeden Fall ungewöhnlich, dass die beiden die Schwangerschaft bei ihrer Reiseplanung nicht berücksichtigt haben.