Gerade liegt eine wieder mal hochinteressante und intensive Vorlesung der Pionierakademie hinter uns. Wir hatten zum Thema „Ekklesiologie“ geladen. Als Dozenten konnten wir Andreas Wolf gewinnen, der uns auf seine genial, teils provokante Art, in das Thema mit hinein nahm. „Alternative Ekklesiologie“ nannte er diese Vorlesung und das war sie auch. Neben theologischen Aspekten, beleuchtete er das Thema aus soziologischer Sicht, woraus geniale Fragen entstanden. Während der kompletten Zeit stand Interaktion ganz hoch im Kurs: offene Diskussion, Fragestellungen in Kleingruppen bearbeiten, OpenSpace etc. Eingeführt und moderiert von einem genialen Moderator, wie Andreas es ist, macht das noch mehr Spaß und gibt dem ganzen Tiefe. Besonders aufgrund des Verständnisses, dieses Thema gemeinsam zu beackern und bewegen und dadurch schon Gemeinde zu sein und Reich Gottes voranzubringen. Unterstützt wurde er von Stefan, der uns unter anderem mit in die Kirchengeschichte (Ekklesia von Jesus bis heute) hineinnahm und uns half im Gewirr neuer „Gemeindemodelle“ wie Liquid Church, Simple Church, Deep Church, Missional Church, Emerging Church, etc. einen Durchblick zu bekommen.
Städte spüren
Diesen Sommer habe ich bewusst ein paar große deutsche Städte besucht. Dabei wollte ich mir nicht nur die Sehenswürdigkeiten anschauen und mich in den Shoppingcentern herumtummeln, sondern einen Eindruck von der jeweiligen Stadt bekommen. Wie fühle ich mich? Was fällt mir auf? Wie sind die Menschen drauf? Interessant zu beobachten wie unterschiedlich Städte sind, auch wenn sie gar nicht mal weit weg voneinander liegen. Städte sind ein Phänomen: viele Menschen auf einem Fleck, völlig unterschiedlich und doch wundersam miteinander verbunden. Jeder bringt sich in die Stadt ein, verbreitet seinen Duft und gleichzeitig atmet er den Geruch der Stadt ein. Auch als Fremder kann man etwas vom Geist der Stadt spüren und sich darauf einlassen oder sich wehren. Das erinnert mich an einen Satz von Martin Scott, den ich mir gemerkt habe: „Erst prägt der Mensch (die Gründer) seine Stadt und später prägt die Stadt die Menschen.“
Ich merke das an meiner Stadt. Sie beeinflusst mich. Nicht in allem, denn gegen Vieles wehre ich mich. Gegen die Depression, die Perspektivlosigkeit, den Kleinmut, die Enge. Und immer wieder spüre ich, wenn ich nicht darauf achte, dass die Müdigkeit und Trägheit der Stadt versucht über mich zu kommen. Ja, es macht einen Unterschied wo jemand wohnt.
Ich lese gerade viel in den Propheten des ATs. Sie bekommen immer wieder den Auftrag zu Städten zu reden. Gott übermittelt ihnen Botschaft für das Kollektiv der Stadt. Warum? Müssten sie nicht zu jedem Einzelnen sprechen? Kann der Prophet alle Bewohner so einfach in einen Topf werfen? Ich glaube, dass in diesen Botschaften auch etwas deutlich wird von der Kraft von Kollektiven. Das Kollektiv Stadt verbindet Menschen, auch in ihrem Denken, ihrer Ausstrahlung kurz: in ihrem Sein. Ja, in unterschiedlicher Weise und doch ist eine Botschaft an eine Stadt immer auch eine Botschaft an jeden Bewohner, für den einen von mehr Tiefe und Tragweite als für den Nächsten. Redet Gott noch heute? Ja, davon bin ich überzeugt. Hat er Botschaften für Städte? Ja, auch davon bin ich zutiefst überzeugt.
Die „Kraft“ von Geschichten
Die Möglichkeiten mit Geschichten Menschen zu begeistern durfte ich diesen Sommer wieder einmal auf einer Freizeit für Kinder von 7-13 Jahren erleben. Anfangs war ich ja ein wenig skeptisch, ob die Geschichte von Gladys Aylward, einer bekannten Chinamissionarin, die ich den Kinder als Fortsetzungsgeschichte erzählen wollte, gut ankommen würde. Besonders bei den Älteren bin ich davon ausgegangen, dass sie sich langweilen – doch weit gefehlt. Nach zwei Tagen war den Kindern klar, dass die Geschichte jeden Tag fortgesetzt wird und ich musste mich Zunehmens mit den Bitten der Kinder auseinandersetzen ihnen schon vorher zu verraten, wie es weiter geht. Selbst die „Obercoolen“ wurden bei der Geschichte still und hörten gespannt zu. Ich hatte sie allesamt gewonnen. Selbst die Erwachsenen waren begeistert.
Ich wollte den Kindern nicht einfach platt sagen, dass sie „artig“ sein sollen, sondern wählte bewusst eine Geschichte eines Menschen, der mit Jesus lebte und baute darin Werte und Botschaften ein wie: sei mutig, trau dir was zu, träume, du bist schön, beten hilft. Damit hörten sie über Jesus, aber in einer Weise die sie nicht erwarteten und die sich ihnen leicht einprägte. Ich bin mal gespannt, ob sie sich nächstes Jahr noch an Gladys erinnern können. Ich gehe davon aus.
P.S. Was ich beim Erzählen lernte: Ich als Schwabe spreche China, wie sich das gehört „Kina“ aus. Dies sorgte für allgemeine Belustigung bei den Kids, denn hier in Südthüringen sagt man „Schina“, was bekanntlich falsch ist (grins). Ich hatte allerdings keine Wahl und musste mich ihrer Kultur anpassen und „Schina“ sagen. War gar nicht so einfach.